Die vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di wird heute 20: Das ist nicht nur ein Grund zu feiern, sondern auch ein Grund, stolz das Kreuz durchzudrücken und selbstbewusst auf die letzten 20 Jahre zurückzublicken. Nachdem die Streikaktivitäten der deutschen Gewerkschaften lange auf einem historischen Tiefpunkt verharrten, läutete das Jahr 2015 eine Trendwende ein. In der Folge kämpften sich Erzieherinnen und Sozialarbeiter, Verkäuferinnen, Busfahrer und Postboten in die Streikstatistik der Bundesrepublik zurück. Unvergessen sind die Arbeitskämpfe der Pflegekräfte, die überall im Land für bessere Personalbemessung kämpften. In all diesen Auseinandersetzungen ging es nur zweitrangig um mehr Geld, mehr Zeit, mehr Personal. Vordergründig ging es um die Anerkennung, den Respekt und die Würde der Beschäftigten.
Und so gibt uns der Rückblick auf die letzten 20 Jahre auch Anlass zum Ausblick. Denn in den Auseinandersetzungen der jüngsten Vergangenheit wurde eine Frage immer zentraler: Was ist uns öffentliche Daseinsvorsorge eigentlich wert? Unter welchen Bedingungen soll die Pflege unserer Eltern und Großeltern stattfinden? Wie frequentiert soll unser Nahverkehr sein? Wie sollen die Betreuungs- und Bildungseinrichtungen unserer Kinder aussehen? Wie unsere öffentlichen Verwaltungen? Nicht zuletzt die Tarifrunde im öffentlichen Dienst im Herbst 2020 hat gezeigt, wie sehr sich diese Fragen auf der Konfliktachse zwischen Kapital und Arbeit zuspitzen und die Rechte von Beschäftigten durch die Krise unter Druck geraten.
Als gewerkschaftlicher Zusammenschluss streiten wir in unserer Partei DIE LINKE für eine stärkere gewerkschaftliche Orientierung und in den Gewerkschaften für eine stärkere Wahrnehmung des politischen Mandats. Wir tun das nicht ohne Grund, denn gerade die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes hat gezeigt, dass die Anliegen von Beschäftigten dann eine Durchsetzungsperspektive bekommen, wenn gewerkschaftliche Einheit und Rückenwind von links zueinanderfinden. Zehn Jahre lang hatten die Gewerkschaften gebraucht, um die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn zu einer Forderung aller acht DGB-Gewerkschaften zu machen. Es waren anfangs vor allem die NGG und ver.di, die das Thema auf die politische Agenda setzten. Erst später zogen die Industriegewerkschaften nach. Und schließlich hat sich dann 2005 mit dem Einzug von DIE LINKE in den Bundestag ein für die Gewerkschaften neues Möglichkeitsfenster eröffnet. Denn die Forderung nach einem Mindestlohn war notwendig geworden, weil CDU, FDP, SPD und Grüne mit der Agenda 2010 einen Deregulierungsfeldzug in der Arbeitswelt eingeleitet hatten. Erst die Präsenz unserer Partei DIE LINKE im Bundestag verhinderte, dass die politische Klasse den Mindestlohn abblocken und seine Einführung lächerlich machen konnte. Plötzlich kam Bewegung in die politische Debatte.
Als BAG Betrieb & Gewerkschaft gratulieren wir ver.di heute zum 20. Geburtstag. Wir wissen um die großen verteilungspolitischen Herausforderungen, die vor uns liegen und verbinden unsere Glückwünsche mit dem Versprechen der gemeinsamen Bündnispolitik. In der LINKEN hat ver.di keinen Geburtstagsgast, der sich hungrig auf die Torte stürzt und früh verschwindet, sondern eine verlässliche Partnerin in den verteilungspolitischen Auseinandersetzungen der nächsten Jahre. Herzlichen Glückwunsch, ver.di!